Lübecker Erklärung

Mitglieder der Konferenz der Landessportbünde sind die Präsidenten der sechzehn Landessportbünde im Deutschen Olympischen Sportbund und damit die sportpolitischen Interessenvertreter der 91.000 Sportvereine der Bundesrepublik Deutschland.  
 
Anlässlich der Tagung am 18./19. April 2008 in Lübeck hat die Konferenz der Landessportbünde einstimmig die „Lübecker Erklärung“ verabschiedet. Sie richtet sich an die politisch Verantwortlichen in Bund, Ländern und Kommunen sowie innerhalb der Sportorganisationen an den Deutschen Olympischen Sportbund und die Landessportbünde selbst.  
 
 
Gesellschaftliche Bedeutung des gemeinwohlorientierten Sports  
 
Von den Landessportbünden, ihren Verbänden und Vereinen auf Landes- und kommunaler Ebene werden viele gesellschaftspolitisch bedeutsame Aufgaben bewältigt. Basierend auf seinen ehrenamtlichen Strukturen und einem außerordentlich hohen bürgerschaftlichen Engagement, nimmt der organisierte Sport eine wichtige gesellschaftsgestaltende Rolle wahr und trägt bei zu Gesundheit, Erziehung, Bildung, sozialer Integration und Kultur. Gerade wo staatliches Engagement bzw. Wirken gesellschaftspolitische Anforderungen nicht oder nur unzureichend erfüllen, übernehmen Sportorganisationen im Rahmen ihrer Möglichkeiten und Kompetenzen Verantwortung. Der gemeinwohlorientierte Vereinssport leistet damit auf vielfältige Weise wesentliche Beiträge zur Demokratieentwicklung, zur nationalen Identität und zum sozialen Frieden.  
 
Die Landessportbünde wollen diese unverzichtbaren Beiträge zur Zukunftsfähigkeit der Gesellschaft auch weiterhin erbringen und sichern helfen.  
 
 
 
 
Herausforderungen für den gemeinwohlorientierten Sport 
 
 
Die Landessportbünde beurteilen insbesondere die folgenden Entwicklungen als große Herausforderungen für den gemeinwohlorientierten Sport: 
 
•    Die demographische und gesellschaftliche Entwicklung ist geprägt durch einen wachsenden Anteil älterer Menschen, eine Zunahme von Menschen mit 
Migrationshintergrund sowie durch ein ständiges Ansteigen sozialer Ungleichheiten.  Deswegen wollen wir, dass alle Menschen, die sich sportlich betätigen wollen  
- unabhängig von Alter, Geschlecht, Herkunft und sozialer Lage - auch zukünftig in den 
Sportvereinen ein breitgefächertes und vielfältiges Sport-, Bewegungs- und 
Freizeitangebot, gesundheitsfördernde Impulse und ein soziales Miteinander finden. 
 
•    Der gemeinwohlorientierte Sport kann seiner gesellschaftlichen Verantwortung nur gerecht werden, wenn die notwendigen finanziellen Rahmenbedingungen dafür vorhanden sind. Die Mitgliedsbeiträge unserer Verbands- und Vereinsmitglieder reichen dazu bei weitem nicht aus. 
Deshalb appellieren wir an Bund, Länder und Kommunen, die Förderung des Sports und der Sportinfrastruktur nachhaltig zu gewährleisten. 
 
 
 
•    Die künftige Sportentwicklung stellt aufgrund von Veränderungen im Sportverhalten der Menschen, von neuen Erwartungshaltungen der Vereine an ihre Dachorganisationen sowie aufgrund heterogener Verbandsinteressen unter dem Dach des DOSB erhebliche Anforderungen an die Sportorganisation selbst. Gestaltungs- und Steuerungsinstanzen sind daher ebenso notwendig wie eine klare Rollen- und Aufgabenverteilung zwischen dem DOSB und den Landessportbünden. 
Wir erwarten vom DOSB Koordinierung und Unterstützung bei der Bewältigung der gesellschaftlichen und sportpolitischen Herausforderungen. 
Die Landessportbünde selbst, ihre Verbände und Vereine haben die ständige Aufgabe, ihre eigenen Organisations- und Angebotsstrukturen den Herausforderungen der gesellschaftlichen Entwicklung anzupassen. 
 
 
 
Perspektiven für die Sportentwicklung 
 
 
Perspektiven für die Politik 
 
(1)    Die Landessportbünde appellieren an die Abgeordneten des Deutschen Bundestages, Sport als Staatsziel im Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland zu verankern. Hiermit soll der besonderen und einzigartigen gesellschaftlichen Bedeutung der größten Bürgerbewegung Deutschlands sowie den Leistungen der Millionen ehrenamtlich im Sport tätigen Menschen Rechnung getragen werden. Da der Sport bereits in 15 von 16 Landesverfassungen als Staatsziel aufgenommen wurde, ist eine entsprechende Verankerung im Grundgesetz an der Zeit und würde zudem einer Abwertung der öffentlichen Belange des Sports gegenüber dem in den letzten Jahren bereits als Staatsziele in das Grundgesetz aufgenommenen Schutz der natürlichen Lebensgrundlagen oder dem Tierschutz entgegenwirken.  
 
(2)    Die Landessportbünde erwarten klare politische Bekenntnisse und Vereinbarungen zur Sicherung der gemeinwohlorientierten Aufgaben und Handlungsfelder der Sportvereine und –verbände. Die Förderung des gemeinwohlorientierten Sports muss auch künftig eine zentrale Gemeinschaftsaufgabe von Bund, Ländern und Kommunen im Rahmen ihrer jeweiligen Zuständigkeiten bleiben.  
An die Stelle der Beliebigkeit im Sinne ‚Freiwilliger Leistungen’ ist auf der Grundlage einer Sportentwicklungsplanung ein nachhaltiges Finanzierungsmodell für die Unterstützung der Sportorganisation zu setzen. Dieses Finanzierungsmodell hat die Autonomie des Sports und den Grundsatz der partnerschaftlichen Zusammenarbeit zu beachten. Der Sport fordert eine entsprechende Planungs- und Handlungssicherheit als Leistungsempfänger und auch als Leistungserbringer für alle Ebenen des Sports. 
 
(3)    Die Sportorganisationen werden auch künftig im Rahmen ihrer Möglichkeiten und Kompetenzen dort Verantwortung übernehmen, wo staatliches Engagement bzw. 
Wirken gesellschaftspolitische Anforderungen nicht oder nur unzureichend erfüllen. 
Dabei ist - entsprechend den Leistungen - das dem Zuwendungsrecht innewohnende 
Subsidiaritätsprinzip genauso zu beachten wie die Grundregel der sachgerechten  Vergütung von Dienstleistungen der Sportorganisationen, z. B. im Bereich der Prävention und der Ganztagsschule. 
 
 
(4)    Die Landessportbünde appellieren an Bundestag und Bundesregierung, die gesetzlichen Rahmenbedingungen zum Erhalt der Umsatzsteuerfreiheit von Mitgliedsbeiträgen an gemeinnützige Sportvereine entsprechend den Möglichkeiten, die in den Richtlinien der Europäischen Union enthalten sind, zu schaffen.  Der DOSB wird um eine entsprechende Initiative gebeten. 
 
(5)    Die Landessportbünde appellieren an Bundestag und Bundesregierung, durch 
Änderung der Gesetze für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt (HartzGesetze) die Vorraussetzungen dafür zu schaffen, dass Arbeitslose sowie deren 
Kinder und andere sozial benachteiligte Menschen unter dem Gesichtspunkt der Chancengleichheit die Möglichkeit erhalten, die Angebote von Sportvereinen und kulturellen Einrichtungen zu nutzen und dass die entsprechenden Kosten anerkannt und übernommen werden. Der DOSB wird um eine entsprechende Initiative gebeten. 
 
(6)    Die Landessportbünde appellieren an Bundestag und Bundesregierung, die präventiven und rehabilitativen Angebote der Sportvereine in der Gesetzgebung so zu verankern, dass diese als Bestandteil der Gesundheitsvorsorge durch die Krankenkassen Anerkennung finden. Der DOSB wird um eine entsprechende Initiative gebeten. 
 
(7)    Die Landessportbünde appellieren an die Landesregierungen, bei allen Maßnahmen zur Schulentwicklung den Spielraum für den Vereinssport zu erhalten. Die Umstrukturierung des Schulsystems (z. B. Ganztagsschule, G8-Abitur) hat gravierende zeitliche und räumliche Auswirkungen auf die über viele Jahrzehnte bewährten Sport- und Bewegungsangebote der Sportvereine für Kinder und Jugendliche. Bereits heute übernehmen Sportvereine in der Kooperation mit Schulen teilweise Verantwortung im außerunterrichtlichen Angebot der Schulen und in der Ganztagsbetreuung von Schülerinnen und Schülern.  
 
Gemäß der gemeinsamen Handlungsempfehlungen der Kultusministerkonferenz und des DOSB zur Weiterentwicklung des Schulsports müssen zukünftig Sportvereine als Partner in den kommunalen Bildungslandschaften noch viel intensiver in die Entwicklung neuer Bildungskonzepte eingebunden werden. Die Landessportbünde werden darauf bei ihrem Dialog mit den jeweiligen Landesregierungen besonderen Wert legen. 
 
(8)    Die Landessportbünde appellieren an die Landesregierungen, eine effektive Dopingbekämpfung als eine gemeinsame Herausforderung für den autonomen Sport und den Staat zu begreifen. Im Rahmen einer gemeinsamen Strategie von Bund und Ländern liegt die Schwerpunktsetzung auf Länderebene im Bereich der Prävention und Aufklärung sowie in der Verantwortung von Anti-Doping-Ausbildungsinhalten. Die Landessportbünde haben hierzu Konzepte entwickelt und erwarten von ihren jeweiligen Landesregierungen nicht zuletzt auch finanzielle Unterstützung bei der Durchführung entsprechender Maßnahmen. 
 
 
 
 
Perspektiven für die Sportorganisationen 
 
Zur zielgerichteten Umsetzung und Weiterentwicklung des Sports werden innerhalb der Sportorganisation Gestaltungs- und Steuerungsinstanzen in Rahmen einer klaren Rollen- und Aufgabenverteilung zwischen Bundes- und Länderebene benötigt. 
 
 
(9)    Die Landessportbünde erwarten innerhalb des DOSB eine ausgewogene Gewichtung des Verhältnisses vom Spitzen- und Leistungssport zur allgemeinen Sportentwicklung und zum Breiten-, Freizeit- und Gesundheitssport. Dies beinhaltet ausdrücklich auch eine angemessene finanzielle Ausstattung und Unterstützung von innovativen Maßnahmen im Breitensport bzw. der allgemeinen Sportentwicklung innerhalb des DOSB.  
 
(10)    Die Landessportbünde bekennen sich ausdrücklich zu ihrer Verantwortung für den Leistungs- und Spitzensport auf Landesebene. Ihr finanziell und strukturell maßgeblicher Beitrag muss künftig bei den Entscheidungsprozessen im 
Verbundsystem Leistungssport des deutschen Sports eine stärkere Beachtung und Berücksichtigung finden. 
 
(11)    Die Landessportbünde sehen in der Bildungsarbeit einen entscheidenden Faktor für eine nachhaltige Sportentwicklung. Sie erwarten vom DOSB eine angemessene personelle und finanzielle Unterstützung bei zentralen Bildungsmaßnahmen und Projekten. Erfahrungen der Länder sind in Entscheidungen des DOSB rechtzeitig einzubeziehen.  
 
(12)    Bei der Durchführung von sportfachlichen Maßnahmen oder Vermarktungsaktivitäten des DOSB sind die spezifischen Länderinteressen zu beachten. Die Landessportbünde erwarten Absprachen und Beteiligungen zu den Maßnahmen und Aktivitäten, die auf die Landes- oder kommunale Ebene gerichtet sind.  
 
 

Lübeck, den 18. April 2008 

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