Im Koalitionsvertrag der aktuellen Landesregierung war ein Prüfauftrag für die Errichtung eines Nationalparks Ostsee verankert. So wurde im Koalitionsvertrag für die 20. Wahlperiode des Schleswig-Holsteinischen Landtages (2022 bis 2027) das Ziel verankertert, (...) "in einem intensiven Konsultationsprozess mit den Ostsee-Anrainerkreisen und -kommunen sowie den relevanten gesellschaftlichen Interessenvertretungen ... einen solchen Nationalpark schleswig-holsteinische Ostsee (NPO) zu diskutieren und gegen Mitte der Legislaturperiode in der Koalition darüber entscheiden, ob und in welcher Form wir ihn auf den Weg bringen werden. (…)“
Ein Jahr lang wurde in mehreren Fachworkshops mit den Vertreter*innen aus Landwirtschaft, Tourismus, Fischerei, Wassersport und regionaler Wirtschaft intensiv, teils heftig diskutiert. Mit Ausnahme der Fachworkshops des Naturschutzes und eines Teils der Kommunalvertretungen votierten die restlichen Workshops zwar für die dringende Notwendigkeit eines verbesserten Ostseeschutzes. Dies sei aber unter Berücksichtigung des Zustandes der Ostsee als Binnenmeer hinsichtlich z.B. der Eutrophierung, der Sauerstoffarmut, des Temperaturanstieges, der Munitionsaltlasten und weiterer Einflussfaktoren nicht durch die Einrichtung eines Nationalparks erreichbar.
Dieser Auffassung konnte die Regierungskoalition nun folgen und verkündete Mitte April den Aktionsplan Ostseeschutz 2030. Mit 16 Maßnahmenpaketen soll nun die Ostsee besser geschützt werden.
Die vorgesehenen Schutzmaßnahmen schränken die Ausübung des Wassersports auf der Ostsee durchaus ein, sind aber überwiegend akzeptabel. So sollen in drei neu einzurichtenden maritimen Naturschutzgebieten (Schlei bis Gelting, südliche Hohwachter Bucht und westlich Fehmarn, siehe Karte), mit Ausnahme bestimmter Korridore und den Hafenzufahrten, der Wassersport im Winter (November bis Ende März) untersagt werden. Für motorisierte Wasserfahrzeuge besteht eine ganzjährige Geschwindigkeitsbegrenzung und in Seegraswiesen wird das Ankern untersagt. Zudem erhalten drei bestehende Natura 2000-Gebiete einen strengeren Schutzstatus.
Die streng geschützten Teilflächen der Natura 2000-Gebiete befinden sich in den Bereichen Sagasbank, Stoller Grund und in der Geltinger Bucht (siehe Karte).
Die weiteren Maßnahmenpakete zielen beispielweise ab auf eine deutliche Reduktion des Nährstoffeintrags aus der Landwirtschaft und der Abwasserbehandlung, ein ostseeweites Verbot von Industriefischerei, den Auf- und Ausbau von Bildungs- und Informationsangeboten, der Einrichtung einer Integrierten Station Ostsee zur Effektivierung des Schutzgebietsmanagements und der Bildungsarbeit. Zusammen mit dem Bund soll die Bergung der Munitionsaltlasten systematisch angegangen werden.
Die Landesregierung will die wichtigen Akteure des Ostseeschutzes durch kooperative Ansätze einbinden. Ein Partnerprogramm zielt darauf ab, ein umfassendes Bewusstsein für den Schutz und die Erhaltung der Ostsee zu fördern. Die Umsetzung des Aktionsplans Ostseeschutz 2030 wird durch einen wissenschaftlichen Beirat begleitet werden.
Der organisierte (Wasser)Sport begrüßt die Abkehr von den Nationalparkplänen und wird seine zugesagten Beiträge zum Aktionsplan Ostseeschutz 2030 leisten. Aus unserer Sicht kann mit diesem Plan der Ostsee effektiv geholfen werden, um auch zukünftig wichtige Aufgaben im Naturhaushalt, für die Erholung, als Wirtschaftsstandort und als Sportraum erfüllen zu können.
Die zweite Jahreshälfte 2023 hielt für den Landessport- verband Schleswig-Holstein (LSV) und den organisierten Wasserssport in unserem Land eine große Herausforderung bereit: Im Koalitionsvertrag der aktuellen Landesregierung wurde ein Prüfauftrag für die Errichtung eines Nationalparks Ostsee verankert. So ist im Koalitionsvertrag für die 20. Wahlperiode des Schleswig-Holsteinischen Landtages (2022 bis 2027) folgendes Ziel formuliert:
„Für den Meeresnaturschutz, den Tourismus, die regionale Wirtschaft und die Anwohnerinnen und Anwohner können sich viele Vorteile aus einem schleswig-holsteinischen Meeresnationalpark Ostsee ergeben, der auf bereits bestehenden Schutzgebieten aufbauen und deren Wirksamkeit erheblich stärken könnte. In einem intensiven Konsultationsprozess mit den Ostsee-Anrainerkreisen und -kommunen sowie den relevanten gesellschaftlichen Interessenvertretungen an der Ostsee werden wir einen solchen Nationalpark schleswig-holsteinische Ostsee diskutieren und gegen Mitte der Legislaturperiode in der Koalition darüber entscheiden, ob und in welcher Form wir ihn auf den Weg bringen werden. (…)“
Das Konsultationsverfahren verfolgte das Ziel, zur Mitte der Legislaturperiode der Regierungskoalition (ca. Sommer 2024) eine Empfehlung abzugeben, über ein „ob“ und wenn „ja“ über ein „wie“, also unter welchen Rahmenbedingungen, konkreten Zielvorgaben und genauem Flächenzuschnitt, ein möglicher Nationalpark Ostsee im Küstenbereich der schleswig-holsteinischen Ostseeküste errichtet werden soll.
Der LSV hat sich bereits zu Jahresbeginn 2023 mit den Wassersportfachverbänden sowohl auf Landes- als auch auf Bundesebene zu einem Beratungsnetzwerk zusammengefunden, um für den anstehenden Konsultationsprozess die Aufgaben zu definieren und damit eine angemessene Vertretung des organisierten Wassersports in dem Verfahren zu sichern.
In der Kick-off-Veranstaltung zum Konsultationsverfahren im März 2023 sicherte das Ministerium einen ergebnisoffenen, fairen und transparenten Ablauf zu. In der praktischen Umsetzung musste dann leider bereits sehr früh in Form eines Briefes an Minister Goldschmidt Kritik geübt werden, da das Ministerium anfangs Vorschläge für mögliche Teilnehmende der sieben Fachworkshops (Naturschutz, Fischerei, Wassersport, Tourismus, Landwirtschaft – Wasserwirtschaft – Landnutzung, Anrainerkreise u. -kommunen, regionale Wirtschaft) unberücksichtigt lies und sich bei überzähligen Anmeldezahlen vorbehielt, exklusiv und eigens die Teilnehmendenauswahl vorzunehmen.
Wenngleich anfänglich ein abgestimmtes Regelwerk zum Nationalpark Ostsee ggf. keine oder nur geringe Nutzungsbeschränkungen für den Wassersport beinhalten könnten – und damals getätigte Aussagen des Ministers und verschiedenste Presseberichte ließen dies vermuten –, bestandt für die Zukunft die begründete Befürchtung, dass diese sukzessive folgen werden.
Was gibt Anlass zu dieser Befürchtung?
Zum einen sind dies die Vorgaben aus der Bundesgesetzge- bung: das Bundesnaturschutzgesetz schreibt vor, – hier eine verkürzte Übersetzung des §24 Bundesnaturschutz- gesetz – dass Nationalparke bereits von Anfang an oder spätestens in etwa 25-30 Jahren (sog. Entwicklungsnational- parks) zu mehr als 50% Flächen aufweisen müssen, die „die Natur Natur sein lassen“ (§24 Abs. 1 Nr.3 und Abs. 2 Satz 1), d.h. durch den Menschen nicht beeinflusst werden … allgemein als NULLNUTZUNGSZONEN bezeichnet!
Das sind die gesetzlichen Regelungen, während das Ministerium damals vielfältig mit Aussagen zitiert werden konnte, die da lauteten, „wir wollen den Wassersport doch gar nicht beschränken“, „die Häfen liegen außerhalb der Potentialkulisse, die Zufahrten bleiben zugänglich und können wie bisher unterhalten werden“, „im Nationalpark soll es auch weiterhin großräumige Möglichkeiten zum Surfen und Kiten geben“ usw.
Aus Sicht des eingangs vorgestellten Netzwerkes ein Widerspruch, der im Übrigen durch die aktuelle Praxis zum Nationalpark Wattenmeer bestätigt wurde: Im Frühjahr 2023 wurde durch den für Bundeswasserstraßen – Nord- und Ostsee sind Bundeswasserstraßen – zuständigen Bundesverkehrsminister eine neue Befahrensverordnung für den Nationalpark Wattenmeer erlassen, die die wassersportliche Nutzung weiter einschränkte.
Und damit wurde ein weiteres Problem einer potentiellen Errichtung eines Nationalparks Ostsee deutlich: Die Nutzung von Bundeswasserstraßen wird durch das Bundesverkehrsministerium geregelt und nicht durch ein Landes-Nationalparkgesetz! Schleswig-Holsteins Umweltminister Goldschmidt wäre dafür gar nicht zuständig … und inwieweit sich ein Bundesministerium zukünftig eher der Umsetzung einer Bundesnaturschutzgesetzvorgabe gegenüber „Zusagen“ eines nicht zuständigen Landesministers verpflichtet sähe, wäre aus Sicht des organisierten Wassersports sicher nicht Gegenstand von Spekulationen, sondern eindeutig: Weitere Nutzungseinschränkungen (nicht nur für den Wassersport) würden kommen!
Das Land Schleswig-Holstein getragen von der gesamten Landesregierung, den Sportorganisationen und damit auch durch weite Teile der Bevölkerung befindet sich derzeit mitten im Prozess hin zum Sportland Schleswig-Holstein. Eine Sportstätte in der sportliche Aktivitäten verboten sind, ist ein Widerspruch in sich und wird vom organisierten Sport grundsätzlich abgelehnt.
Der LSV und die Wassersport-Landesfach- und Spitzenverbände haben an dem weiteren Konsultationsverfahren teilgenommen und ihre fachliche Expertise in die Entscheidungsfindung um die Errichtung eines Nationalparks Ostsee mit einer weitüberwiegend kritischen bis ablehnenden Haltung in die Diskussion eingebracht. Die Teilnahme wurde stets getragen von der Hofnung, dass die richtige Entscheidung gefunden werden möge! Denn die zweifellos in einem schlechten ökologischen Zustand befindliche Ostsee benötigt dringend Lösungen oder Verbesserungen für Probleme wie Sauerstoffarmut bis hin zum vollständigen Fehlen von Sauerstoff („Todeszonen“), übermäßige Nährstoff- und Schadstoffzufuhr von Land, Vermüllung (Geisternetze, Mikroplastik), militärische Altlasten und steigende Wassertemperaturen.
Denn aus Sicht des organisierten (Wasser)Sports können diese Probleme NICHT durch die Errichtung eines Nationalparks Ostsee, der weniger als 1 Prozent der gesamten Ostseeküste abdeckt, gelöst werden. Vielmehr bedarf es vermehrt zielführender Maßnahmen und Regelungen durch und für die bereits bestehende Regelungs- und Schutzgebietskulisse zusammen mit allen Ostsee-Anrainerstaaten.