Bundesregierung beschließt Novelle der Sportanlagenlärmschutzverordnung (SALVO)
Durch Änderungen des Baurechts und der Lärmschutzbestimmungen für Sportanlagen soll das "Zusammen- leben in der Stadt" fit für die Zukunft gemacht werden.
Herzstück der Reform ist die neue Gebietskategorie "Urbanes Gebiet", die neue Spielräume für den Woh- nungsbau erschließen soll. Neu geregelt werden außerdem die Bedingungen für Sportplätze, Ferienwohnungen und Zweitwohnungen.
In urbanen Gebieten darf dichter und höher gebaut werden als in den herkömmlichen Mischgebieten. Um den unterschiedlichen Nutzungsansprüchen von Gewerbe und Wohnen gerecht zu werden, sind für das urbane Gebiet auch höhere Lärmimmissionswerte durch gewerblichen Lärm zugelassen. Parallel zur Änderung des Bauplanungsrechts wurde daher auch eine Änderung der Technischen Anleitung (TA) Lärm beschlossen.
Zusammen mit der Baurechtsnovelle hat die Bundesregierung auch die Änderung der Sportanlagenlärm- schutzverordnung beschlossen. Damit werden die Immissionsrichtwerte für die abendliche Ruhezeit von 20.00 - 22.00 Uhr sowie die nachmittägliche Ruhezeit an Sonn- und Feiertagen von 13.00 – 15.00 Uhr um 5 dB(A) erhöht. "Die dichter werdende Stadt soll nicht auf Kosten des Sports wachsen. Wir brauchen Sportplätze in der Stadt – für die Gesundheit, aber auch für den gesellschaftlichen Zusammenhalt und für die Kinder, die nicht mal eben an den Stadtrand fahren können.", so Bundesumwelt- und Bauministerin Dr. Barbara Hendricks.
Aufgrund der veränderten Lebensgewohnheiten wie Arbeitszeiten, Freizeitbeschäftigung, gesunder Lebenswan- del und einer hohen Rechtsunsicherheit beim Umbau und der Modernisierung von Sportanlagen war es notwen- dig, die Sportanlagenlärmschutzverordnung zu modernisieren und an die heutigen Anforderungen anzupassen. Dabei war es wichtig, einen fairen und tragfähigen Ausgleich zwischen den Interessen von Sportlern und dem Ruhebedürfnis der Nachbarschaft zu ermöglichen.
Mit den drei Kernpunkten Alt-Anlagenbonus, Immissionsrichtwerte und Randbebauung wird nun Rechtssicherheit für beide Seiten des Vereinszaunes geschaffen. Alt-Anlagen, die vor 1991 genehmigt oder zulässigerweise ohne Genehmigung errichtet wurden, sind nun besser gestellt und können nach Umbauten ohne Abstriche weiter betrieben werden und die Abstände zwischen den Sportanlagen und der heranrückenden Wohnbebauung können fast halbiert werden (extrahiert und redaktionell bearbeitet aus: Pressemitteilung des Bundesministeriums für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit, Nr. 307/16 und Pressemitteilung der SPD-Bundestagsfraktion, Nr. 747/2016).
Der Kabinettsbeschluss bedurfte noch der Zustimmung des Bundestages und des Bundesrates, wobei sich der Bundessrat mit großer Unterstützung des organisierten Sports dafür eingesetzt hat, dass das sogenannte Kin- derlärm-Privileg künftig auch für Sportanlagen gilt und einen Gesetzesentwurf einreichte, den die Bundesregie- rung aber abgelehnt hat.
Der DOSB kritisiert diese Ablehnung. „Der Bund hat mit der lange ersehnten Reform der Sportanlagenlärm- schutzverordnung (SALVO) zwar erste Schritte getan“, sagte DOSB-Präsident Alfons Hörmann. „Aber warum Kinder auf Bolz- oder Spielplätzen anders behandelt werden als auf sonstigen Sportanlagen bleibt ein wenig erfreuliches Rätsel. Aus unserer Sicht muss hier im Interesse des Sports dringend nachgebessert werden. Es ist ein trauriges Kapitel Gesellschaftspolitik, dass Kinderlachen und -jubeln in Deutschland als störender Lärm gesetzlich verboten wird.“
Dennoch sind die Vorschläge des Verordnungsentwurfs geeignet, deutlich besser als bisher, die Sportausübung zu sichern.
Es besteht aber aus Sicht des organisierten Sports weitrehin Nachbesserungsbedarf:
- Eine Kinderlärmprivilegierung ist - trotz der Forderungen aus dem parlamentarischen Raum, der Sport- organisationen, der kommunalen Verbände und der Sportministerkonferenz - leider nicht in der Verord- nungsnovelle enthalten. Eine Erweiterung des Immissionsrechts und der seit 2011 bewährten Kinderlärm- privilegierung auf Sportanlagen, z.B. durch Ergänzung des Bundesimmissionsschutzgesetzes bzw. der SALVO, ist daher dringend notwendig. Warum sportaktive Kinder auf Bolzplätzen (privilegiert) anders behandelt werden als Kinder auf Sportanlagen (nicht privilegiert) ist aus gesundheits-, sport- und kinderpolitischen Gründen nicht nachzuvollziehen.
- Auch eine sogenannte Irrelevanzklausel von 1 bis 3 dB(A), insbesondere von der kommunalen Praxis und den Gutachtern gefordert, fehlt. Sie sollte noch ergänzt werden. (Stichwort Irrelevanzkriterium: Sehr geringe Immissionserhöhungen sind in realen Situation üblicherweise nicht wahrnehmbar. Demnach kann eine geringfügige Überschreitung der Richtwerte - sozusagen als irrelevant - hingenommen werden. Eine solche Regelung ist üblich und auch in der sogen. TA Lärm verankert, fehlt aber in der SALVO.)
- Der sogenannte Altanlagenbonus sollte nicht nur als Bestandsschutz für Anlagen mit Bezug auf das Jahr 1991, sondern mit Stand 2016 bzw. 2017 festgeschrieben werden.
Diese drei Maßnahmen, insbesondere die Kinderlärmprivilegierung, sollten zukünftig ergänzt werden, um den Interessenausgleich zwischen Sport und Anwohnerinteressen auch zukunftsorientiert weiterzuentwickeln, die Sportausübung auch in den kommenden Jahren abzusichern und die immissionspolitische Diskriminierung sportvereinsaktiver Kinder zu beenden.“
Die Bundesregierung sah in dem Bundesratsentwurf aufgrund von „Abgrenzungsfragen und Vollzugsschwierig- keiten (...) keinen praktischen Nutzen“. Mit dieser Haltung hat sie sich gegen viele Institutionen gestellt: Der DOSB, der Deutsche Fußball-Bund (DFB), die Sportministerkonferenz, die Bundesländer, der Bundesrat, der Deutsche Städtetag und der Deutsche Städte- und Gemeindebund sind alle für ein Kinderlärm-Privileg. Durch den Gesetzesentwurf des Bundesrates sollte gewährleistet werden, dass Kinderlärm auf Sportplätzen genauso behandelt wird wie Kinderlärm auf Spiel- und Bolzplätzen.
„Dennoch endet mit dem Beschluss der Bundesregierung ein mehr als achtjähriger Reformstau".
(Andreas Klages, stv. Geschäftsbereichsleiter Sportentwicklung, Ressortleiter Breitensport, Sporträume, DOSB).